Graustufen
Bilder deaktivieren
Sound bei Tastenanschlag
Schriftgröße
Hautkrebsprävention
forschen - informieren - netzwerken
Hautkrebsprävention
forschen - informieren - netzwerken

Spectrum. The most dangerous artwork.

Menschen gezwängt in Schutz- statt Maßanzüge, die Designerbrille hinter UV-Schutz-Visieren versteckt, Hände mit Gummihandschuhen bedeckt: Das ist kein Besuch eines Reaktors, Labors oder einer besonderen Produktionshalle, sondern einer Vernissage. Diese Schutzmaßnahmen sind allerdings notwendig, denn zu erleben gibt es „Spectrum", das gefährlichste Kunstwerk der Welt. Eingeladen zu diesem Event hatte die Deutsche Krebshilfe gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP), um auf die Risiken der Solariennutzung aufmerksam zu machen.

Das Kunstwerk

Knapp 100 Gäste kamen am 22.01.2020 in die Berliner Reinbeckhallen zur Präsentation des neuesten Werkes des Berliner Künstlerduos LowBros. In einer dunklen Halle schwebt ein leuchtender Ball. Von diesem ausgehend strahlen 65 Solarienröhren in alle Richtungen, einige von ihnen treffen auf Fliesen, die zum Teil, so mutete es an, durch die Strahlung zersprungen sind. Licht und Sound unterstützen den bedrohlichen Effekt. Auf dem Boden sind in der Dunkelheit leuchtende Warnschilder angebracht. An einer Stelle steht die Botschaft: „Hier setzen Sie sich der Äquatorsonne aus"! Nach fünf Minuten klingelt eine Uhr, länger sollen sich Gäste der gefährlichen UV-Strahlung nicht aussetzen.

 

 

„Ein Sonnenstudio ist in unseren Augen eine Kultstätte, in dem sich ein wiederkehrendes Ritual vollzieht. In unserer Installation „Spectrum" heben wir den Aspekt der Sonnenanbetung heraus und legen den Fokus auf das Objekt der Anbetung: eine Sonne aus echten UV-Röhren, von der eine reale Bedrohung ausgeht." – LOW BROS

 

"Spectrum. The most dangerous artwork." wurde im Mai 2020 im Rahmen des Art Directors Club (ADC) Wettbewerbs, dem wichtigsten deutschen Kreativ-Wettbewerb, mehrfach ausgezeichnet. Die Installation gewann einmal Gold, zweimal Silber und viermal Bronze (zum Medienbericht).

© Dennis Schnieber

Warum diese Aktion?

Ganz ohne Schutzanzug legen sich rund acht Prozent der Deutschen einmal die Woche auf die Sonnenbank. UV-Strahlung verursacht binnen Sekunden Schäden im Erbgut der Hautzellen. Diese Schäden können bis zu einem gewissen Maß von einem körpereigenen Reparatursystem behoben werden. Kommt es zu einer Überlastung, kann die Reparatur UV-bedingter Erbgutschäden fehlerhaft erfolgen oder ganz ausbleiben: Die Schäden des Erbguts bleiben bestehen, werden an Tochterzellen weitergegeben und verbleiben so dauerhaft im Körper. Mit Erbgutschäden belastete Zellen können zu Krebszellenentarten und es kann sich Jahrzehnte später Hautkrebs entwickeln.

Circa 3000 Menschen versterben jährlich allein in Deutschland an Hautkrebs. Wissenschaftler*innen haben bereits 2012 geschätzt, dass europaweit jährlich etwa 3400 Melanomerkrankungen auf Solariennutzung zurückzuführen sind. Von diesen Erkrankten versterben ca. 800 Personen. Mehrere weitere große Studien belegen mittlerweile eindeutig, dass die Nutzung von Solarien das Hautkrebsrisiko erhöht. Seit 2009 ist es Betreiber*innen von Solarien durch das Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NISG) untersagt Jugendlichen die Nutzung zu gewähren. Trotz Verbotes konnten 2018 etwa 140.000 Jugendliche ungehindert ein Solarium nutzen. Seit 2012 gilt die UV-Schutz-Verordnung, welche unter anderem ein Beratungs- und Aufklärungsangebot hinsichtlich der Risiken durch die Solarienbetreiber*innen beinhaltet. Dadurch soll Konsument*innen die Möglichkeit gegeben werden eine informierte Entscheidung für oder gegen die gesundheitsgefährdende Nutzung von Solariengeräten zu treffen. Auch die UV-Schutz-Verordnung wird nicht flächendeckend eingehalten. Viele Solariennutzer*innen wurden entsprechend der UV-Schutzverordnung noch nie oder nur unzureichend beraten und aufgeklärt.

Der Anteil „klassischer" Solarienbetriebe nimmt zwar ab, stattdessen wächst aber die Anzahl von Wellness-Betrieben (Fitness-Studios, Hotels, Kosmetikstudios, Schwimmbäder, u.a.) mit Solariengeräten. Diese Branchenverschiebung erschwert die behördliche Erfassung von Betrieben mit Solariengeräten und damit die Kontrolle über die Einhaltung des Gesetzes und seiner Verordnung. Die Hauptmotive für die Solariennutzung sind nach wie vor „Attraktivität" und „Entspannung". 

Die fünf Kernbotschaften

Für die Deutsche Krebshilfe und die ADP gravierende Gründe zu handeln und die Thematik auf diese besondere Weise in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Der Appell lautet: Eine gesundheitlich unbedenkliche Nutzung von Solarien gibt es nicht. Wer Attraktivität und Entspannung will, darf die Haut nicht durch Solarien schädigen!

Begleitbroschüre zu Spectrum. The most dangerous artwork.

Unsere 5 Kernbotschaften:

• Bräune ist nicht gesund.
• Es gibt keine Solariennutzung ohne gesundheitliche Schäden.
• Sonnen im Solarium kann zu Hautkrebs führen.
• Sonnen im Solarium kann tödlich enden.
• Jedes Solarium ist gesundheitsschädlich.

begleiten daher die Ausstellung in Form einer anschaulichen Broschüre. 

Unterstützer*innen

Mitgetragen werden diese Botschaften durch weitere Akteure aus dem Bereich Forschung, Medizin, Prävention und durch Selbsthilfeorganisationen, die diese Veranstaltung mit Aktions- und Informationsständen unterstützt haben.

© Henriette Bunde

© Henriette Bunde

Besonderer Dank gilt hier:

  • Der Nationalen Versorgungskonferenz Hautkrebs (NKV) e.V.
  • Dem Zentrum für Molekulare Medizin der Universität zu Köln (ZMMK)
  • Dem NationalenCentrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden, sowie
  • Dem Hautkrebs-Netzwerk Deutschland (HKND).

Der Expertentalk

In einer Podiumsdiskussion wurden politische Entscheider*innen, Gesundheitsexpert*innen, Forscher*innen, Nutzer*innen und Behördenvertreter*innen zusammengebracht, um die aktuelle gesellschaftliche Problematik der Solariennutzung umfassend zu beleuchten.

© Dennis Schnieber

Die Moderatorin und Botschafterin für Hautkrebsprävention der Deutschen Krebshilfe Susanne Klehn hat eindrucksvoll von ihrer eigenen Hautkrebserkrankung berichtet und souverän durch die Diskussion geführt, so wie die eine oder andere kritische Rückfrage gestellt. Zunächst haben die Künstler Low Bros alias Christoph und Florin Schmidt von der Entstehung und Motivation von „Spectrum" berichtet.

Der Schauspieler und Influencer Sandy Fähse kommentiert das Kunstwerk wie folgt: „Das ist ja eigentlich Suizid.", als er realisiert, dass die Bestrahlungsstärke an einigen Stellen im Ausstellungsraum, der am Äquator entspricht.

Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe erläutert als Initiator des Events die Beweggründe für diese ungewöhnliche Veranstaltung und weist auf massive Gesetzesverstöße hin. Prof. Dr. Eckhard Breitbart, Dermatologe und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V. (ADP) erklärt nachdrücklich wie der menschliche Körper auf UV-Strahlung reagiert, wie er Schäden repariert und wie es zu Überlastungen des körpereigenen Reparatursystems kommt. Weiterhin legt er den wissenschaftlich gesicherten Zusammenhang zwischen Solariennutzung und Hautkrebsrisiko dar.

© Dennis Schnieber

Sowohl Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), als auch die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) Dr. Inge Paulini sprechen sich für mehr Aufklärung zur Stärkung der Eigenverantwortung der Bürger*innen und eine Verbesserung der behördlichen Kontrollsituation aus.

PD Dr. Katharina Diehl (Universität Heidelberg), die Leiterin des Nationalen Krebshilfe-Monitorings zur Solariennutzung (NCAM) berichtet über die Ergebnisse der bevölkerungsrepräsentativen Erhebung. Die Daten belegen einerseits, dass das Nutzungsverbot für Minderjährige oft unterlaufen wird sowie andererseits, dass die UV-Schutz-Verordnung nicht hinreichend bis gar nicht umgesetzt wird.

Prof. Dr. Achim Enders, stellvertr. Vorsitzender der Strahlenschutzkommission (SSK) stellt klar, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von natürlicher und künstlicher UV-Strahlung bereits seit 30 Jahren vorhanden sind und verweist auf zahlreiche Empfehlungen zum Schutz vor künstlicher UV-Strahlung. Es bestehe kein Bedarf diese zu diskutieren. Vielmehr sei es endlich an der Zeit dafür Sorge zu tragen, „dass diese Erkenntnisse auch in den Köpfen der Menschen ankommen".

Jana Heinisch, Influencerin und Model äußert abschließend Unverständnis darüber wie bei der klaren wissenschaftlichen Evidenz zur Gefährlichkeit von künstlicher UV-Strahlung überhaupt noch über das Für und Wider von Solarien diskutiert werden muss. Eine klare Verbotsforderung schwebt im Raum.

Vor dem gleichermaßen faszinierenden wie beängstigendem Eindruck des Kunstwerks und der Diskussion haben sich so, auch im offenen anschließenden Teil, weitere Gespräche ergeben. Einige Tage später, am 03. Februar fordern die Stiftung Deutsche Krebshilfe und die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) e.V. in einer gemeinsamen Pressemitteilung das deutschlandweite Verbot von Solarien.